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SKIMAGAZIN
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Wunderwelten vom Kartentisch Text Tim Tolsdorff Bilder Studio HV Innsbruck/ Berann
Skifahrer brauchen sie zur Orientierung, Tourismusmanager für die Werbung: Überdimensional zieren Panoramakarten die Talstationen von Skigebieten, illustrieren in handlichem Format Schneesport-Atlanten und Pistenpläne. Der Maler Heinz V. erschafft die Winterwelten in seinem Innsbrucker Atelier-ganz traditionell mit Bleistift, Pinsel und Farbtopf. Das SkiMAGAZIN hat den Künstler besucht und sich in die Geheimnisse seiner Arbeit einweihen lassen.
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So muss das perfekte Skigelände aussehen: Über dichten Bergwäldern, durch die sich einzelne Pistenschneisen ziehen, liegen weite, sanft kupierte Pulverschneehänge für Carvingfreaks und Wedelkönige. Darüber ragen schroffe, braun leuchtende Felswände auf, durchschnitten nur von einer Handvoll ruppiger Rinnen - das bevorzugte Terrain mutiger Steilwandartisten. Über allem thront die Valluga, reckt ihren Gipfel in die dünne Luft nahe der Marke von 3.000 Höhenmetern. Selbst das Wetter ist wie gemalt zum Skifahren. Über der Szenerie leuchtet ein kobaltblauer Himmel, die Berge am Horizont verschwimmen im Dunst. Ein derartiges Panorama des Arlbergs kann man eigentlich nur aus dem Flugzeug bestaunen - oder auf dem heimischen Sofa, von einem Abstecher nach St. Anton träumend. Möglich macht das der Landschaftsmaler Heinz V. Die anschaulichen Panoramen des Künstlers kennt fast jeder, den es regelmäßig zum Wintersport in die Alpen zieht. Ob es das Pistenrevier zwischen Ischgl und Samnaun ist oder das Riesengebiet „Dolomiti Superski": Heinz V. malt im Auftrag von Bergbahnen und Tourismusverbänden jene Winterwelten am Kartentisch. die Besucher zuerst im Internet oder in Skiatlanten finden, später dann auf riesigen Tafeln an den Talstationen und in den Pistenplänen für die Jackentasche. Seit über einem halben Jahrhundert mischt HV. im Geschäft mit, hat neben Skigebieten auch Panoramen von schottischen Nationalparks oder japanischen Provinzen angefertigt. "Es gibt keinen Kontinent, von dem ich noch nichts gezeichnet habe", sagt er. Der 72-jährige Künstler - Bürstenschnitt, weiße Haare und ein ebensolcher Bart - arbeitet dort, wo man es von einem Bergmaler erwarten würde. Sein Atelier liegt inmitten der Tiroler Alpen, im Universitätsviertel von Innsbruck.
SKIFAHRER BRAUCHEN DIE KARTEN, UM DURCH LIFTLABYRINTHE NACH HAUSE ZU FINDEN HV.s Karten zeigen Wintersportlern, was sie von der Piste aus nicht sehen können: die komplette Umgebung aus der Vogelperspektive.
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Skifahrer wollen weder auf der falschen Hütte landen noch Gefahr laufen, den Treff mit der netten Bekanntschaft vom Vortag zu vermasseln. Genauso unbeliebt ist es. für den abendlichen Rückweg ins nächste Tal auf ein teures Taxi angewiesen zu sein, weil man sich im Liftlabyrinth verfranst hat. Für Liftgesellschaften und Tourismusverbände spielt dagegen nicht nur die Übersichtlichkeit, sondern auch die Schönheit der dargestellten Landschaft eine Rolle: Attraktive Panoramen haben einen erheblichen Werbeeffekt, rücken die eigene Region ins beste Licht. Dieser Wirkung sind sich auch die Marketingfachleute bei Dotomiti Superski bewusst, dem mit 1.200 Pistenkilometern größten Verbundskigebiet der Welt. .Heinz V.s Bilder sind schon etwas Besonderes, viele beneiden uns .darum", sagt Pressesprecher Diego Clara. "Unsere Stammgäste schätzen besonders die Weite und Vielfalt unseres Gebiets. Das stellen die Panoramen bestens dar. weil sie aus der Vogelperspektive gemalt sind." Da praktisch in jedem Sommer neue Lifte gebaut, Pisten eröffnet oder geschlossen werden, lasse man bei der Seilbahngesellschaft jedes Jahr die Karten auf den neuesten Stand bringen und rund 1,5 Millionen Pistenpläne drucken. Gleich bleibt jedoch der Stil von Heinz V.
EIN HALBES JAHRHUNDERT ARBEITETE HV HAND IN HAND MIT SEINEM LEHRMEISTER Mit den Dolomiten kennt Heinz V. sich aus: Sein Vorgänger und Mentor, Heinrich Caesar Berann, entwarf im Jahr 1955 eines der ersten Skipanoramen für Cortina D'Ampezzo, wo ein Jahr später die Olympischen Winterspiele stattfanden. Ohne den Professor für Kunstmalerei gäbe es heute auch keine Werke von Heinz V. der im Altervon 16 Jahren bei ihm als Schüler anfing und in den neunziger Jahren dessen Atelier übernahm.
Heinz V. versteht sich als Künstler, malt seine Panoramen traditionell von Hand. In seinem geräumigen Atelier häufen sich auf den Tischen Farbtuben, Pinsel und kleine Mischtöpfe. Zu Anfang eines Auftrags bespricht er mit dem Kunden dessen Wünsche, erstellt dann eine Skizze. Auch um das Skigebiet bestmöglich darzustellen, bedient er sich häufig der künstlerischen Freiheit - und eines grafischen Tricks: Der Teil des Bildes, auf dem sich Lifte und Pisten befinden, wird in der Vertikalen gestreckt, rückt so in den Blickpunkt. Gerne forderten Touristikmanagern zudem, markante Berge oder Geländeformationen zu zeigen - was wäre das Grödner Tal ohne den Langkofel, die Jungfrau-Region ohne die 4.158 Meter hohe Namensgeberin aus Fels und Eis? Am Horizont verortete Massive werden gar gedreht, so dass der Betrachter auf ihre markanteste Flanke blickt - das Matterhorn lässt grüßen. Pedantische Kartografen würden angesichts dessen die Köpfe schütteln, Marketingstrategen dagegen per Nicken ihre Zustimmung bekunden.
INSPEKTION VON OBEN Zu Beginn geht HV. in die Luft: Aus dem Cockpit eines Kleinflugzeugs schießt er Aufnahmen der betreffenden Bergregion. Eines der Fotos bildet später den perspektivischen Rahmen für die Karte. Zurück im Atelier nimmt HV. zunächst den Bleistift zur Hand und bringt die Grundstruktur zu Papier. "Diese Arbeit dauert insgesamt etwa einen Monat", so HV. Weitere ein bis zwei Monate sei er mit dem Malen
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des Bildes beschäftigt. Nach insgesamt drei bis vier Monaten liefere er das Werk aus. "Zwischen 6.000 und 9.000 Euro kosten meine Panoramen", sagt der Maler. Der Preis richte sich nach der Größe des Bildes und der Komplexität. Panoramen in Übergrößen könnten auch mal mit 15.000 Euro zu Buche schlagen. Auf den ersten Blick scheinen gemalte Panoramen in Zeiten leistungsstarker Rechner und Programme wie "Google Earth" so veraltet wie ein Monoski. Doch die Nachfrage beweist das Gegenteil: ,.Gemalte Panoramen haben gegenüber Karten oder Luftbildern den Vorteil, dass man große, gebirgige Gebiete übersichtlich und doch plastisch darstellen kann", sagt Lukas Krösslhuber. Er ist Geschäftsführer der .Kitzbüheler Alpen Marketing" und gab 2008 bei HV. eine Panoramakarte der Region in Auftrag." Die Berge verflachen nicht, die Farben sind kräftig, und auch Punkte, die eigentlich verdeckt sind, können durch die besondere Perspektive sichtbar gemacht werden", so der Vermarkter. Um diesen Effekt auch bei größeren Skigebieten zu erreichen, greift Heinz Vielkind tief in die kartografische Trickkiste: Er lässt die Erdkruste, auf der Berge und Täler angeordnet sind, stärker als ihre natürliche Krümmung in Richtung des Betrachters abfallen. So erreicht der Künstler, dass die Landschaft sich wie eine Ziehharmonika auffächert und Punkte freigelegt werden, die ansonsten versteckt in tiefen Tälern oder hinter hohen Bergen lägen. VH.s Arbeit schätzt man auch in der selbsternannten »Wiege des Skilaufs", am Arlberg. "Wir arbeiten mit seinen Panoramen, so lang ich mich erinnern kann", sagt Eva Steinlechner, bei den Bergbahnen in St. Anton für das Marketing zuständig, "und wir werden von den gemalten Karten nicht weggehen, denn sie sind sehr gut gelungen." Anschaulich stelle VH. die Skiregion dar, zudem seien seine Bilder bestens für die sogenannten ,.Overlays" geeignet, also die später hinzuzufügende Infrastruktur des Skigebiets. Ortsnamen, Lifte, Pisten, Höhenangaben und Hütten.
BEI DER ABEIT AM ARLBERG MUTIERTE DER MALER ZUM DIPLOMATEN Der Meister selbst räumt ein, dass die Arbeit am Arlberg nicht nur wegen des komplexen Geländes eine große Herausforderung darstellte, sondern auch wegen der regionalen Befindlichkeiten. VH. machte Bekanntschaft mit der legendären Rivalität zwischen dem stolzen Skiort St. Anton auf der Tiroler Seite des Massivs sowie dessen Pendants Lech und Zürs in Vorarlberg. Die Fehde ließ den Landschaftsmaler zum Diplomaten mutieren. So seien die Verantwortlichen in Lech unzufrieden mit älteren Karten gewesen - zu weit habe man damals den Traditionsort in den hinteren Teil des Bildes abgeschoben. VH. änderte die Perspektive, bildete den Arl berg von einem höheren Standpunkt aus ab und räumte den Vorarlbergern mehr Raum ein. Dabei leistete er ganze Arbeit: Misst man das Panorama mit dem Lineal ab, so zeigt sich, dass beiden Rivalen genau eine Bildhälfte zugestanden wird. Gemein ist allen Karten VH.s ihre fast schon hypnotische Wirkung. Die Augen des Betrachters wandern wie auf einer Entdeckungsreise umher, bleiben an markanten Geländeformationen hängen, um im nächsten Augenblick wieder Landschaft in ihrer Gänze zu erfassen. Dabei werden die Blicke nur teilweise durch die Netze von Pisten und Liften geleitet, die Grafikunternehmen wie .Intermaps" in Wien nachträglich einzeichnen. Vielmehr tritt HV. grafische Pfade aus, um den Betrachter subtil durch das Bild zu führen.
MITTLERWEILE MACHEN HV.S SCHÜLER IHREM LEHRMEISTER KONKURRENZ Ans Aufhören denkt Heinz V. nicht. Dass der Markt für die Panoramabilder floriert, zeige sich an der großen Zahl von Mitbewerbern "gut ausgebildeten Mitbewerbern", wie der Meister betont. Selbst für das digitale Zeitalter scheint er gewappnet. Da seine Karten gut für herkömmliche Overlays geeignet sind, stellt auch die elektronische Vernetzung kein Problem dar. "Unsere interaktive Karte wird gerade so umgemodelt, dass das HV.Panorama hinterlegt wird", sagt Arlberg-Vermarkterin Eva Steinlechner. Dass VH.s Stil - und damit der des 1999 verstorbenen Altmeisters Berann - weiterlebt, dafür hat der Künstler längst gesorgt: In den vergangenen zwei Jahrzehnten bildete er selbst Schüler aus. Eine junge Dame macht ihrem Lehrmeister bereits mit eigenen Panoramen Konkurrenz. Ingrid Schultus-Föger versieht ihre Arbeiten gar mit einem ähnlichen Logo wie VH. und Berann - mit Recht. Ihre Panoramen, etwa jenes vom Graubündner Skigebiet über den Orten Flims, Laax und Falera, dürften manchen Leser beim Schmökern auf dem Sofa zum Besuch der dortigen Pisten animieren - genauso wie die Werke ihres Mentors. <<<
TIM TOLSDORFF SkiMAGAZIN 06.2010
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